Asasello Quartett

Bronze by Gold | Floßfahrt mit Streichquartett

TANZ Stephanie Thiersch beglückt mit einer Choreografie, in der das Asasello-Quartett Beethovens „Große Fuge" spielt.

Es ist ein Bild, das sich denen, die bei dieser Premiere des Beethovenfests in der Halle, Beuel gewesen sind, einbrennen wird: Auf einem Lastenwagen stehen zwei Musikerpaare, deren Spiel Menschen anlockt, wie der Flöte spielende Rattenfänger die Kinder. Einer nach dem anderen kommen sie und klettern auf die kaum mehr als zwei Quadratmeter kleine Ladefläche des Wagens, bis sich am Ende in
dieser Enge elf Menschen drängeln, von denen vier - auswendig - die: „Große Fuge in B-Dur" von Ludwig von Beethoven spielen. Dabei weiß jedes Streichquartett-Ensemble ein Lied davon zu singen, wie schwer dieses Werk schon auf Stühlen sitzend und mit Noten vor den Augen zu spielen ist.

Irgendwann steigt eine Frau in weißer Bluse vom Wagen herab, ergreift ein Seil und zieht Musiker
und Lauschende langsam quer durch den Bühnenraum. Solche ein Bild setzt beim Betrachter einige Assoziationen in Gang. Man denkt an ein Floß oder ein Boot, und wenn dann noch auf jedem Meter ein
"Opfer" vom Ladeflächenrand zu Boden gleitet und buchstäblich äuf der Strecke bleibt, ist der gedankliche Schritt zu den Flüchtlingen, die auf übervollen Booten übers Mittelmeer treiben, naheliegend. Ob die Kölner Choreografin Stephanie Thiersch das in ihren suggestiven Bildern zum Ausdruck bringen will, ist dabei nicht entscheidend.

Man kann die Szene aus ihrem neuen Stück, das den bei James Joyce entlehnten Titel „Bronze by
Gold" trägt, freilich auch sehr viel abstrakter deuten und danach fragen, wie Thiersch sich der „Großen Fuge" annähert. Natürlich hätte sie die virtuosenTänzer des Ensembles „MOUVOlR/Stephanie Thiersch" den Fugeneinsätzen hinterherrennen lassen können. Aber dort wo Beethoven sich - mit einigen-Freiheiten - den strengen Regeln des musikalischen Kontrapunktes unterwirft, sie aber zugleich in jedem Takt mit Macht zu sprengen sucht, unternimmt sie gar nicht erst den Versuch, die Musik zu doppeln.

Stephanie Thiersch bleibt ihrer eigenen Tanzsprache, ihrem Stil treu. Man sieht zuckende Leiber,
rennende, tanzende Menschen, in Hektik oder in Zeitlupe. Man zerrt sich an den Kleidern, schleckt den nackten Arm seines Gegenübers, in den Szenen stecken. Liebe, Verzweiflung und Wahnsinn, womit man dann dochw ieder ganz nah an Beethoven ist.

Es ist bereits die zweite Zusammenarbeit von Stephanie Thiersch und den experimentierfreudigen
Streichern des Asaselle-Quartett. Rostislav Kozhevnikov, Barbara Kuster (Violinen), Justyna Sliwa (Viola) und Teemu Myöhänen (Violoncello) integrieren sich mutig in die Choreografie, auch wenn sie ihre Instrumente mal beiseite legen.
Das ist bewundernswert - so physisch wird Musik selten erfahrbar. Doch in dem Stück kamen auch
andere Klänge zu Gehör, wilde, zeitgenössische Streichquartettklänge von Márton Illés (Torso V) und Hikari Kiyama (Raga) oder groovende Beats, die D.J. Elephantvom Turntable aus, der auf der Bühne platziert war, durch den Raum schallen ließ. Weil aber mit der Großen Fuge der Höhepunkt des Spannungsbogens schon recht früh seinen Höhepunkt erreicht, wird es für die Ausführenden ganz
schwierig, danach dieses Niveau zu halten.

Bonner General Anzeiger - October 5th 2015